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Usurpation und Adoption fremder Nester durch Hornissenköniginnen
Text von Thomas Rickinger Manchmal ergibt sich für eine Jungkönigin die Gelegenheit, ein kürzlich verwaistes Volk mit noch lebender Brut zu adoptieren. Aber gewöhnlich hat ein Nest bereits eine rechtmäßige Besitzerin und dies führt im Frühjahr zu einem intensiven Konflikt zwischen eigenständig gründenden und usurpierenden Königinnen. Der interessierte Beobachter wird während dieser Zeit nicht selten mehrere - gelegentlich sogar über ein Dutzend - tote Königinnen in der Nisthöhle unter jungen Wespen- und Hornissennestern vorfinden können. Junge Nester sind für suchende Königinnen sehr attraktiv, insbesondere wenn sie lebende Brut enthalten. So konnten Wissenschaftler experimentell mittels eines als Köder benutzten Embryonestes von Vespula vulgaris innerhalb von 5 ½ Wochen nicht weniger als 56 Wespenköniginnen anlocken. Findet eine Wespen- oder Hornissenkönigin ein fremdes Nest, so inspiziert es zunächst vorsichtig dessen unmittelbare Umgebung. Dem Beobachter fallen fremde Königinnen in dieser Anfangsphase durch ihr unsicheres und ängstliches Verhalten auf. Erscheint die rechtmäßige Besitzerin, so fliegt das fremde Tier gewöhnlich ab, um nach einiger Zeit wieder am Neststandort zu erscheinen. Dieser Vorgang kann sich mehrere Male wiederholen, wobei die fremde Königin zunehmend aggressiver und mutiger agiert. Schließlich postiert sie sich am Flugloch, auf der Nesthülle oder dringt sogar in das Nestinnere ein. In diesem Stadium kommt es zum Kampf zwischen der Eigentümerin des Nestes und der Okkupantin. Besitzt das Volk bereits einige Arbeiterinnen, so unterstützen diese ihre Mutter bei der Verteidigung des Nestes. Zwar bricht die fremde Königin in manchen Fällen die Konfrontation ab und flieht, häufig wird jedoch eines der kämpfenden Tiere zu Tode gestochen. Es kommt auch vor, dass die fremde Königin die Besitzerin des Nestes tötet und im Gegenzug selbst von deren Arbeiterinnen abgestochen wird - ein orphanes (drohnenbrütiges) Nest ist die Folge. Sobald ein Volk allerdings eine gewisse Stärke erreicht hat, haben usurpierende Königinnen praktisch keine Chance mehr. Okkupationen sind daher weitgehend auf die solitäre und kooperative Phase beschränkt, wenn die Völker noch klein sind und keine oder nur wenige Arbeiterinnen besitzen. In Gebieten mit hoher Populationsdichte wechseln Hornissen- und Wespennester in diesen frühen Phasen der Volksentwicklung dann aber nicht selten sogar mehrmals den Besitzer.
Bleibt noch die Frage, weshalb ein Teil der Jungköniginnen dazu tendiert, nach Möglichkeit fremde Nester zu übernehmen, statt eigene zu gründen. Usurpationsversuche durch Hornissenköniginnen lassen sich in unseren Breiten vor allem in der letzten Juni- und ersten Julihälfte beobachten - zu diesem Zeitpunkt verfügt der Großteil der Hornissenvölker bereits über einige Arbeiterinnen oder wenigstens gedeckelte Zellen. Die meisten Königinnen, die jetzt noch keine eigenen Nester haben, sind möglicherweise verspätet aus der Winterruhe erwacht und aufgrund der fortgeschrittenen Jahreszeit kaum mehr in der Lage, erfolgreich eigene Völker zu etablieren. In dieser Situation stellt die gewaltsame Übernahme eines fremden Nestes die beste Möglichkeit dar, um doch noch zum Erfolg zu kommen. Aber auch von Nestokkupationen durch solche Exemplare, deren eigenes Nest zerstört wurde, gibt es vereinzelte Berichte. Interessanterweise kam es in einem beobachteten Fall sogar vor, dass es sich bei der Usurpatorin um eine Königin handelte, die bereits selbständig ein Nest gegründet hatte. Nach der Übernahme versorgte sie parallel sowohl ihr eigenes als auch das fremde Nest, bis sie nach einigen Tagen offenbar verunglückte.
Zwei wichtige Aspekte dieses Verhaltens sollen im Folgenden noch erwähnt werden: Die Bedeutung dieses Verhaltens für die Dynamik von Wespen- und Hornissenpopulation wurde unter anderem von ARCHER erwähnt: "For the American wasp, V. maculifrons, evidence suggests that during abundant years, weak queens are unable to nest in preferred arreas due to competition from strong queens" (ARCHER in: EDWARDS 1980). Weiterhin kann Adoption und Usurpation fremder Nester als eine niedrige evolutionäre Stufe auf dem Weg zum echten Sozialparasitismus aufgefasst werden. Bereits einen Schritt weiter sind Vespula squamosa, eine nordamerikanische Faltenwespe, sowie die asiatische Hornissenart Vespa dybowskii. Die Königinnen beider Arten sind zwar in der Lage, selbständig Völker zu gründen, okkupieren aber bevorzugt Nester nahe verwandter Arten. Nach EDWARDS (1980) übernehmen etwa 2/3 aller Frühjahrsköniginnen von Vespa dybowskii gewaltsam bestehende Nester von Vespa crabro, und Vespula squamosa-Weibchen usurpieren routinemäßig junge Völker von Vespula vidua, Vespula flavopilosa, Vespula maculifrons und Vespula germanica. Am Ende dieser evolutionären Entwicklung stehen schließlich die obligatorischen Sozialparasiten, die über keine eigene Arbeiterinnenkaste mehr verfügen und für die Aufzucht ihrer Nachkommen gänzlich auf die Hilfe ihres Wirtes angewiesen sind. Bei den Vespinae sind nur vier Arten diesen Weg gegangen: Vespula austriaca, Dolichovespula arctica, D. adulterina und D. omissa. Die Königinnen dieser Wespenarten sind speziell an ihre sozialparasitische Lebensweise angepasst. Vespula austriaca beispielsweise durchläuft eine verlängerte Diapause und verlässt ihr Winterquartier erst, wenn sich ihre Wirtsart Vespula rufa bereits in einem fortgeschrittenen Stadium der Volksgründung befinden. Alle vier Arten verfügen außerdem über einen kräftigen, nach unten gebogenen Stachel, dicht anliegende Abdominalsklerite sowie eine dickere Cuticula und sind dadurch für den Kampf mit der Wirtskönigin und deren Arbeiterinnen gut gerüstet. Erfahrungen zum Thema "Feindliche Übernahme von Hornissennestern" Beobachtungen von
Dieter Kosmeier: Dr. Elmar Billig berichtet im Jahr 2001
ähnliches: Beobachtungen von Thomas
Rickinger:
Beobachtungen und Fotos von Stefan Dehren am 02. Juni 2007: Später fand ich an einer Hecke in Kastennähe eine flugunfähige Hornissenarbeiterin. Diese wurde wahrscheinlich vorher von der Fremdkönigin angegriffen. Ein Flügel war beschädigt. Nachdem ich die Arbeiterin in den Kasten setzte krabbelte sie kurz darauf ins Nest.
Flugunfähige Arbeiterin Drei Stunden später flog bzw. saß wieder eine Hornissenkönigin in Fluglochnähe am Kasten rum. Sie ging auch mehrmals kurz in den Kasten und prüfte die Lage.
Königin in Lauerstellung
Inzwischen war auch die andere Königin heimgekehrt. Etwas später waren dann beide Königinnen im Kasten und es kam zum Kampf.
Bilder vom Kampf
Mit zittrigen Beinen auf der Leiter stehend konnte ich immerhin ein paar brauchbare Fotos machen. Nach etwa 2-3 Minuten ist die eine Königin durch die offene Tür abgeflogen. Die andere krabbelte schleppend am Boden rum. Die Unterlegene hat ein Teil eines Beines verloren.
Unterlegene Königin Einige Minuten später kam die Siegerin zurück und krabbelte direkt über die Hilfsstege ins Nest. Deshalb gehe ich davon aus, dass diese Königin auch die vorherige Besitzerin des Nestes war. Inzwischen krabbelte die zweite Königin wieder im Kasten rum. Ob danach noch mal etwas passiert ist weiß ich nicht. 05. Juni 2007 Etwas genervt von diesen Vorkommnissen hab ich die Leiter geholt und durchs Fenster in den Kasten geschaut. *ARRGH* Es lagen drei Hornissen unter dem Nest. Eine genauere Untersuchung ergab das es alle Königinnen sind. Falls ich mich am Samstag nicht getäuscht hab ist die Unterlegene von vor drei Tagen nicht dabei. Die Beine aller drei sind nämlich vollständig erhalten. Hier mal kurz die Messergebnisse:
Foto dazu
Später hab ich den Kasten mal eine halbe Stunde lang beobachtet. Fast ununterbrochen saß eine Arbeiterin im Schlitz und wehrte eine anfliegende Königin mehrmals ab. Diese kam während der Zeit vier- oder fünfmal vorbei. Heute konnte ich leider nicht erkennen ob noch eine Königin im Nest ist. Überlassen die Arbeiterinnen das Nest einer anderen Königin, wenn die bisherige abhanden kommt? Ich hoffe, dass der Kasten nicht aufgrund der Verluste am Ende ohne Erfolg bleibt. Dieser Kasten war übrigens die letzten drei Jahre nicht besiedelt. Es sind also keine Königinnen die alle in ihren Geburtskasten zurück wollen. 07. Juni 2007 11. Juni 2007 Später kam es wieder zu einer Auseinandersetzung mit einer weiteren Königin. Diese wurde gleichzeitig von zwei Arbeiterinnen und der Königin bekämpft. Mittlerweile habe ich acht tote Königinnen (Nummer Neun wird beim nächsten Besuch drunter liegen) und fast zehn Arbeiterinnen in diesem Kasten verloren. Leider sind zur Zeit auch nur noch zwei Zellen verdeckelt. Die Entwicklung des Nestes ist also stark beeinträchtigt. 14. Juni 2007
Die Strecke von heute
Beim Ausräumen des Kastens kam dann noch eine lebende Königin angeflogen. Es gibt also noch Hoffnung auf eine erfolgreiches Nest. Lebende Arbeiterinnen hab ich heute keine gesehen.
Ein Bild der bisher geborgenen
Königinnen Da ich eine entsorgt habe fehlt diese auf dem Foto. Es sind also bisher sicher 11 im Kasten gestorben. Mal sehen ob die Zwölfte jetzt in Ruhe gelassen wird.
Beobachtungen von Dirk Niermann: Es gab bisher insgesamt vier Übernahmeversuche: 1) 24.06. morgens: 6 Arbeiterinnen geschlüpft, 3 davon flogen bereits aus, abgestochene, aber noch lebende Königin mit abgebissenem Flügel im Kasten unter dem Nest. Danach wurde am Nesteingang eine Wächterin postiert. 2) 30.06, morgens: insgesamt ca. 15 Arbeiterinnen, erneut abgestochene Königin mit abgebissenem Flügel unter dem Nest. 3) 30.06, tagsüber: tote Königin mit abgebissenem Flügel auf der Erde vor dem Kasten, dazu eine stark zerbissene, tote Arbeiterin, eine weitere Arbeiterin verlor drei Beine, keine Wächterin mehr vor dem Nest. 4) 01.07. morgens: tote Königin auf der Erde vor dem Nest, Zahl der Wächterinnen verstärkt auf 2-3 am oberen Flugloch, 1 am unteren Flugloch. Die meisten Überfälle haben demnach wohl in der Nacht bzw. den frühen Morgenstunden stattgefunden. Da ich in der ganzen Zeit recht oft Königinnen beobachtet habe, die den Kasten auskundschafteten, aber kurz vor dem Einflugloch umkehrten, erscheinen mir die Angriffe fast wie generalstabsmäßig geplant. Das Nest hat nach wie vor eine Königin. Ich habe aber auch nach dem letzten Übernahmeversuch noch weitere Königinnen gesehen, die den Neststandort inspizierten, dabei aber von den Wächterinnen verscheucht wurden. Wahrscheinlich schaffen es die Königinnen bei zu vielen Arbeiterinnen nicht mehr, bis zur Nestbesitzerin vorzudringen.
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